PV-Anlage, Wärmepumpe und E-Auto haben wir schon. Was fehlt, um das nächste Level der Energiewende zu erreichen? Richtig – ein dynamischer Stromtarif. Marcus hat seine Erfahrungen vor ca. 5 Jahren bereits hier geteilt. Unseren Selbstversuch haben wir im Mai 2023 gestartet, da dynamische Tarife demnächst flächendeckend angeboten werden müssen. Wir waren neugierig, ob wir es schaffen würden, einen geringeren Strompreis im Vergleich zu normalen Stromanbietern mit festen Preisen realisieren zu können.
Die Fallhöhe erschien uns gering. Wir hatten im Januar 2023 71,4 Cent/kWh und ab Februar 38 Cent/kWh gezahlt. Ein Neuvertrag mit einjähriger Preisgarantie wäre im Frühjahr für 32 Cent/kWh möglich gewesen. Die Differenz zur Strompreisbremse erschien uns gering, sodass bei einem Scheitern des Versuchs das Risiko für uns überschaubar war.
Wir haben uns dann für einen Stromanbieter entschieden, der zwei unterschiedliche dynamische Tarife anbietet:
- Abrechnung nach dem Monatsdurchschnitt
- Der Vorteil ist, dass der Tarif ohne zusätzlichen Aufwand genutzt werden kann und dass das Risiko bei steigenden Preisen geringer ist, da der Verbrauch bei der nächsten Zählerablesung auf die Monate und dessen durchschnittspeise verteilt wird. Und das ist gleichzeitig auch der größte Nachteil. Man profitiert auch nicht so stark von unterdurchschnittlichen Strompreisen.
- Stundengenaue Abrechnung
- Bei der stundengenauen Abrechnung ist das Risiko etwas größer, da man stärker auf die Strompreissignale reagieren muss, um einen günstigen Strompreis realisieren zu können. Dazu muss man seinen Stromverbrauch möglichst intelligent steuern. Für die stundengenaue Abrechnung ist eine zusätzliche Auswerteelektronik erforderlich, die uns ca. 50 € gekostet hat und auf dem Stromzähler montiert wird.
No Risk – No Fun: Wir haben uns für den stundengenauen Tarif entschieden. Die Annahme, dass wir so den günstigsten Preis für uns realisieren könnten, galt es zu prüfen – Alles für die Wissenschaft 😉
Bei der stundengenauen Abrechnung zahlt man für jede Stunde einen anderen Preis pro kWh. Der Preis wird am EPEX-Spotmarkt festgelegt. Zusammen mit den Netzentgelten ergibt sich so unser Strompreis. Jeden Tag um 13 Uhr werden die Strompreise für den nächsten Tag in der App veröffentlicht, sodass man eine gewisse Planungssicherheit erhält.
Leider stellte sich zunächst heraus, dass unser Stromzähler getauscht werden musste, damit über die Infrarotschnittstelle des Stromzählers die Daten an den Stromanbieter übermittelt werden können.
Dann kam der Sommer und die PV-Anlage mit Batteriespeicher hat die Stromversorgung des Hauses weitgehend übernommen. Immerhin konnten wir uns so in Ruhe auf den Winter vorbereiten.
Zunächst haben wir die größten Stromverbraucher identifiziert. Dies sind:
- Zwei E-Autos (zusammen 3789,18 kWh)
- Erd-Wärmepumpe (2509,37 kWh)
- Waschmaschine / Trockner / Geschirrspüler (Verbrauch unbekannt)
Als erstes haben wir uns mit dem größten Posten beschäftigt, der auch gleichzeitig am einfachsten umzusetzen war: Das Aufladen der E-Autos.
Als Steuerung für die Wallbox benutzen wir eine openWB, die auf einem Raspberry PI läuft. Auf der openWB konnte der Stromanbieter einfach eingerichtet werden. Die Preisinformationen werden automatisch abgerufen, sodass im Modus „Sofortladen“ ein maximaler Strompreis festgelegt werden kann. Fällt der Preis unterhalb des Grenzwertes wird der Ladevorgang gestartet. Bei überschreiten wird der Ladevorgang beendet. Bleibt also nur noch Fleißarbeit den Grenzwert für jeden Ladevorgang neu festzulegen.
Bei der Wärmepumpe war es dann schon etwas schwieriger. Glücklicherweise hatte ich mich zu Jahresanfang mit NodeRed beschäftigt. NodeRed ist eine Low-Code Plattform, bei der man „Nodes (= „Programmschnippsel“) zu einem funktionierenden Programm zusammenbastelt. Mit ein paar You-Tube Tutorials war ich in der Lage die teuersten 6 Stunden am Tag zu identifizieren und die Wärmepumpe in dieser Zeit zu sperren.
Bei der Nutzung von Waschmaschine, Trockner und Geschirrspüler gehen wir sehr pragmatisch vor. Wenn es erforderlich und möglich ist, schalten wir die Geräte in den günstigsten Stunden ein.
Im Herbst kam dann noch die Idee unseren kleinen Hausspeicher bei niedrigen Strompreisen mit Netzstrom zu laden. Vielleicht schreibe ich darüber noch mal einen eigenen Blog-Beitrag. Nur so viel: Das macht alles wesentlich komplizierter und lohnt sich auch nur, wenn man die Umwandlungsverluste berücksichtigt. Die Differenz zwischen den günstigsten und teuersten Stunden muss also groß genug sein.
Zurück zur ursprünglichen Frage: Haben wir trotz der Investitionskosten Geld sparen können?
Werfen wir einen Blick auf die Zahlen:
Zunächst einmal bin ich bei der Auswertung auf eine unerwartete Entdeckung gestoßen. Ich hätte erwartet, dass der Stromverbrauch im Winter ansteigt. Tatsächlich ist er aber recht gleichmäßig. Eine mögliche Erklärung wäre der recht milde Winter. Die nachfolgende Grafik zeigt den Gesamtverbrauch und die Aufteilung zwischen Netzbezug und Eigenverbrauch über die PV-Anlage.
Um unseren erzielten Strompreis zu vergleichen habe ich mir zwei Vergleichsgrößen überlegt. Zum einen den alternativen Anbieter, bei dem wir einen Festpreis von 32 Cent/kWh für ein Jahr hätten bekommen können und zum anderen der zeitliche Mittelwert unseres Anbieters. Die Grundgebühr habe ich nicht berücksichtigt, da sie ohnehin angefallen wäre.
Wie man sieht liegt die Kurve unseres erzielten Strompreises häufig am niedrigsten. Den alternativen Anbieter haben wir Haushoch geschlagen – Yeah 😉. Den zeitlichen Mittelwert konnten wir vor allem in den wichtigsten Monaten (November – Februar) entweder unterbieten oder waren wenigstens gleich auf.
Das Ergebnis
Von Mai 2023 – April 2024 haben wir über unseren dynamischen Stromanbieter 4519,61 kWh bezogen und dafür 1284,91 € bezahlt. Das ergibt einen durchschnittlichen Strompreis von 25,26 Cent/kWh inklusive Grundgebühr bzw. 22,05 Cent/kWh ohne Grundgebühr. Im Schnitt also ca. 10 Cent/kWh günstiger als das Vergleichsangebot des konventionellen Stromanbieters.
So haben wir gegenüber dem alternativen Stromanbieter stolze 449,79 € einsparen können. Verglichen mit dem zeitlichen Mittelwert konnten wir immerhin noch 74,26 € einsparen. Für uns hat es sich also tatsächlich gelohnt. Wie schön 😊
Aber nicht für jeden lohnt sich ein dynamischer Tarif. Gibt es keine größeren Verbraucher, die man in Zeiten mit niedrigen Preisen verschieben kann, lohnt sich ein dynamischer Stromtarif nicht. Nach meinen Beobachtungen werden dynamische Tarife ab einem Bezug von ca. 2500 kWh/Jahr interessant.
Wir werden weiter bei unserem dynamischen Tarif bleiben und spekulieren auf weiterhin günstige Preise. Ich vermute, dass das auch in Zukunft funktionieren wird, da netzdienliches Verhalten belohnt werden muss. Die Preissignale sorgen für einen möglichst starken Verbrauch bei viel Angebot und führen umgekehrt zu sparsamen Verhalten, wenn das Angebot niedrig ist. Nur so kann die Energiewende gelingen.
Autoren: Dominik